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"heimat.kunden" – Ein Projekt von Dirk Raulf. Lippstadt 2020 - 2022
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Mittwoch, 1. Januar 2020
„Oma Umweltsau“: Aus einer lächerlichen Harmlosigkeit im WDR (nicht gerade der Sender, der für gewagte Satire bekannt ist…) wird ein rechtsradikales Fanal mit „deutscher Opa über alles“, mit Drohungen gegen Journalisten und mit der mittlerweile zu erwartenden Zusammenrottung von Wutbürgern und Faschisten, die sich anmaßen, zu definieren, was „anständig“ oder „anstößig“ ist. Und der Intendant des WDR lässt sich von ihnen vorführen wie ein Tanzbär. Nicht begreifend, dass es an IHM wäre oder an seinem „größten Funkhaus Europas“, diese Definitionen, wenn nicht vorzunehmen, so doch zu differenzieren und diese Differenzierung, oder besser: das Prinzip Differenzierung zu vertreten. Stattdessen vertritt er sich die Beine. Tritt nach unten, buckelt nach oben, und oben sind ja nicht die Buckligen und Gemeinen, die Armen und Schwachen, nein – oben sind in diesem Fall die, die mit ihren Parolen-Definitionen die Politik und die mediokren Medien vor sich hertreiben, die mit Sprache Schindluder treiben („wird man ja wohl noch sagen dürfen“ – EBEN NICHT) und sich aufgrund ihrer Rohheit unangreifbar machen. (Hinterher wird es wieder niemand geahnt haben.) Und weil es mehr scheinen als ein paar Versprengte und Verdrängte, will man es sich mit ihnen nicht verderben. Es sich nicht verderben mit der Verdorbenheit. Diejenigen, die sich mit diesem Widerlingen unter dem Dach HEIMAT und ANSTAND gemein machen, sind aber die Ausverkäufer von all dem, was vielleicht (!) „Heimat“ sein könnte. Die Konservativen, denen nichts heilig ist, die nichts „bewahren“ (im Sinne von Konservativismus) als ihren Eigennutz. „Heimat“: ein Begriff, der nicht ohne Anführungszeichen zu verwenden und zu schreiben ist! Ein Begriff, der keine eigene Tragweite, keine Präzision, im Grunde keinen Gehalt hat und eben deshalb so gut als Projektionsfläche, als Behälter taugt. „Heimat“, ein Behälter für jeden Dreck. Ein Begriff, der zu allem Ja sagt, der alles aufnimmt, sich jedem hingibt, der zwischen Idylle und Kampfbegriff alles sein kann, eine Hure von Begriff. Wie die Erinnerung. Eine Erfindung, die so tut, als wäre sie keine. Zur Verfügung stehend vor allem für diejenigen, die Profit und Macht wittern, indem sie sich auf „Heimat“ berufen. Und die, welche schlicht genug sind, ihre Sehnsucht nach einem Dasein ohne Angst, ohne Traumata, ohne Bedrohung, ohne Unwägbarkeiten mit diesem Begriff zu verbinden, laufen jenen in Scharen hinterher. Ein Begriff, den man abschaffen wollte/sollte, wenn man es denn könnte. Da man es nicht kann, gilt es, ihn zu befragen und alternative Modelle zu schaffen. Fremde oder Nomadentum nicht als Gegenteil von „Heimat“, sondern als Bereicherung des Eigenen. Die conditio humana sieht nicht „Heimat“ vor, sondern Fremdheit, Begegnung, Sehnsucht, Gefahr. Und nein, der Mensch hat Herkunft, aber keine „Wurzeln“, schon im Ansatz ein schiefes, ein tendenziöses Bild. Im Grunde bedeutet der Versuch, „Heimat“ zu haben, immer den Versuch, nicht sterben zu müssen. „Heimat“ zu instrumentalisieren heißt, Todesangst zu instrumentalisieren. Also: Sich vertraut machen mit dem Tod als dem, was einzig sicher ist. Wir leben, und wir werden sterben. In dieser kurzen Spanne so viel wie möglich er-leben, Ekstase, Rausch, Vernunft, Gedanke, Kunst, Natur, LIEBE. Aber doch nicht sich weismachen lassen, es ginge um „Heimat“. Und WENN DOCH - dann darum, eine kurze Zeitlang „Heimat“ nicht zu haben, sondern zu sein für jemand, der eine Geborgenheit (noch) braucht. Für das Kind, den Flüchtling, den alten oder kranken Menschen, den Bedürftigen. Alles andere ist reiner Egoismus, reine Ausschließ-lichkeit (im Sinne des Begriffs als Ausschluss-Kategorie für immer wieder neu zu definierende „Andere“). Im Hintergrund all dieser Vorgänge um „Heimat“ steht immer ein Interesse. „Lauf vor, ich gebe dir Feuerschutz.“ Follow the money. Folge dem „Heimat“-Geschrei, dann wirst du das Geld finden. Ach – all das wäre gar zu langweilig und gar nicht der Rede wert, wenn es sich nicht so furchtbar breitmachen würde auf Kosten von Menschlichkeit und Solidarität. Und irgendwo sitzt immer jemand, dem/der es nutzt, und grinst in sich hinein, nicht wissend, dass auch dieses Grinsen das Grinsen des eigenen Totenschädels ist. Ein Grinsen, das keinen Humor besitzt, sondern Häme. Weil Humor bedeuten würde, der eigenen Sterblichkeit Witz und Leichtigkeit abzulisten. Humor auf Kosten anderer ist nichts als Arroganz und Bräsigkeit. Humor muss auf Kosten der Obrigkeit gehen. Nicht umgekehrt. Deshalb fürchten die „Heimat“-Schreier nichts mehr als Humor und Lächerlichkeit. Man sollte Sie auslachen, Herr Intendant, und zwar öffentlich! Aber leitende Herren dieses Schlages haben selbst viel zu viel Angst vor Lächerlichkeit, als dass sie Humor zeigen könnten. Aber, Herr Intendant, der Kaiser ist immer nackt! Quasi eine nackte Umweltsau! (Deshalb braucht auch der Kaiser „Heimat“ – für seine Untertanen, denn solange die „Heimat“ schreien auf Kosten anderer, kümmert sie die Nacktheit des Kaisers nicht.)
DIE deutsche "Heimat"-Chronistin.